Ungarin mit Leib und Seele, Sprachtrainerin und Kulturbotschafterin – so präsentiert Timea mit großer Freude ihre Heimat Ungarn und verrät einige Geheimnisse über ihre Landsleute und die ungarische Sprache.
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Timea, du unterrichtest bei uns Ungarisch. Was hältst du für besonders wichtig, wenn man eine Fremdsprache erlernen will, bzw. was hat dir in deinem Leben geholfen, neue Sprachen zu erlernen?
Ich nehme jetzt die Kleinkinder als Beispiel: Sie sind neugierig, offen und sie freuen sich jeden Tag auf etwas Neues. Sie plaudern mit uns oft pausenlos, um ihre bereits erlernten Worte zu festigen und stellen uns ihre Fragen mit ihren wunderbaren Sprachfehlern, die sie ohne Hemmungen machen.
Die Erwachsenen haben oft Angst, Fehler zu machen, und das ist der größte Fehler überhaupt. Zumindest wenn man eine neue Sprache erlernen möchte.
Was braucht man also für eine neue Sprache? Neugier, Offenheit, Freude und Mut.
Wie bist du dazu gekommen, deine Muttersprache zu unterrichten? Was motiviert dich dazu?
Ich habe an der Budapester Universität meine Muttersprache und Latein studiert, weil ich von diesen Sprachen fasziniert war. Die Sprache ist mehr als ein Kommunikationsmittel. Sie gibt den Menschen die Möglichkeit, die Welt auf eine bestimmte Weise kennenzulernen und wahrzunehmen. Jede neue Sprache macht dich zu einem neuen Menschen, weil du die Welt aus einer neuen Perspektive sehen kannst. Nehmen wir dafür als einfaches Beispiel das deutsche Wort „Sauerkirsche“. Dieses Wort vermittelt mir eine Aussage über eine Obstsorte, die der Kirsche ähnlich ist, jedoch sauer schmeckt. Hätte ich als Ungarin die Sauerkirsche nicht gekannt, würde das deutsche Wort meinen Appetit anregen, weil ich sowohl Kirschen als auch den sauren Geschmack gerne habe. Das entsprechende ungarische Wort erteilt mir hingegen keine solche Auskunft.
Man sagt, dass die ungarische Sprache besonders schwer erlernbar ist. Findest du diese Aussage gerechtfertigt?
Nein. Der Schwierigkeitsgrad dieser Sprache liegt irgendwo zwischen Englisch und Chinesisch: Sie ist für das deutschsprachige Publikum etwas schwieriger erlernbar als Englisch, jedoch wesentlich einfacher als Chinesisch.
Deine Frage ist jedoch angebracht, denn die ungarische Sprache bildet eindeutig eine „Sprachinsel“ im Herzen Europas. Ungarisch gehört nicht zur indoeuropäischen Sprachfamilie wie die meisten europäischen Sprachen, also Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Slawisch und so weiter. Die Bewohner der ungarischen Sprachinsel haben ihre Sprachverwandten, die Finnen, in einer Entfernung von ca. 2000 km. Ungarisch gehört zu der finno-ugrischen Sprachfamilie und allein diese Tatsache erklärt, warum das Erlernen der ungarischen Sprache von den Europäern, die in den indoeuropäischen Sprachstrukturen und Sprachschemen denken, mehr Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert als zum Beispiel Englisch.
Demnächst wirst du im Bildungsraum einen ungarischen Abend gestalten. Worauf dürfen wir uns denn freuen?
Ich werde euch mit trockenen sprachwissenschaftlichen Vorträgen verschonen. Alle Anwesenden erwartet ein zwangsloses, geselliges Beisammensein, um zu erfahren, dass das Erlernen der ungarischen Sprache sehr viel Freude und Spaß bereiten kann.
Gibt es ein Persönlichkeitsmerkmal oder eine Mentalität, die du als „typisch ungarisch“ bezeichnen würdest?
Da der Ungar den Humor sehr ernst nimmt, kennt er in Sachen Humor keinen Spaß. Sein Magen kann die Gulaschsuppe nur scharf vertragen. Wegen der berühmten ungarischen Gastfreundschaft müssen die österreichischen Gäste am Tisch mindestens zwei Teller Gulaschsuppe verzehren, wenn sie den Gastgeber nicht beleidigen wollen.
Nach dem Essen wird eine ganze Flasche Tokajer ausgetrunken, aber nicht einmal der Tokajer kann den Ungarn helfen, ihren typischen Akzent zu verlieren. Ein echter Ungar behält nämlich seinen ungarischen Akzent ein Leben lang, auch wenn er sehr bemüht ist, eine Fremdsprache akzentfrei zu sprechen.
Was verbindet die österreichische und die ungarische Kultur deiner Meinung nach?
Die Ungarn haben den Humor, die Österreicher die Ironie. Und Humor und Ironie sind eng miteinander verbunden. Ich bin im 8. Bezirk in Budapest geboren und ebendort aufgewachsen. Der 8. Budapester Bezirk heißt Josefstadt. Mein allererster Wohnsitz in Österreich war zufällig auch im 8. Bezirk in Wien. Diese Tatsache war für mich gleichzeitig humorvoll und ironisch. Warum? Ich lasse die Antwort jetzt offen und verrate es beim nächsten ungarischen Themenabend :-).
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