Schwarz und Weiß ändern ihre Bedeutung je nach Blickwinkel. Um die kulturelle Tragweite dieser Farben fassen zu können, muss man sich auf eine Weltreise begeben.
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Als ich mich dazu entschloss, in einem Blogbeitrag die Farben Schwarz und Weiß und ihre Bedeutung in verschiedenen Kulturen zu behandeln, war mir nicht ganz bewusst, dass dies eine Mammutaufgabe werden würde. Denn über Schwarz und Weiß kann man viel schreiben – angefangen mit der Frage, ob diese überhaupt Farben sind, welche Rolle sie in unserer Sprache spielen („Das will ich schwarz auf weiß haben.“) oder wie sie auf unsere Psyche wirken.
Farben scheinen auf den ersten Blick etwas sehr Eindeutiges zu sein – wir wissen beispielsweise, dass in unserem Kulturkreis die Farbe Rot für die Liebe steht und Grün für die Natur. Wir wissen auch, dass in unserer Kultur Schwarz unter anderem für Trauer steht, aber auch für Dominanz. Das Weiß im Brautkleid soll die Reinheit der Braut symbolisieren. Weiß ist auch die Farbe des Friedens, symbolisiert durch die Taube und die Fahne.
Woher wissen wir das alles? Nun, wir hier im Westen sind damit aufgewachsen – wie die Farben auf uns wirken, wird uns quasi anerzogen. Die Eindeutigkeit geht allerdings verloren, wenn man den kulturellen Hintergrund verändert.
Marketing – wie ähnlich sind sich Schwarz und Weiß eigentlich?
Wer könnte sich in einer globalisierten Welt mehr für die Wirkung von Farben auf Menschen interessieren als Marketing-Experten? Tatsächlich gibt es im Bereich Marketing eine Vielzahl an Forschungen über die Wirkung von Farben rund um den Globus. Eine im Jahr 2000 veröffentlichte Studie, durchgeführt in China, Taiwan, USA, Österreich, Brasilien, Kanada und Kolumbien, stellte fest, dass Schwarz und Weiß per se in allen oben genannten Ländern sehr beliebte Farben sind.
Tatsächlich brachten die Studienteilnehmer aller Länder die Farbe Schwarz (neben Braun) mit Traurigkeit und Schalheit in Verbindung – zusätzliche Assoziationen waren Formalität und Männlichkeit. Weiß (neben Blau und Grün) hingegen galt allgemein als friedliche, sanfte und beruhigende Farbe.
Die (Be-)Deutung der Farben kann man allerdings nicht immer über einen Kamm scheren– im wahrsten Sinne des Wortes sind Schwarz und Weiß nicht einfach schwarz und weiß! Im Zuge meiner Recherchen wurde mir bewusst, dass die Kulturgeschichte der Farben so divers und reich ist, dass sie sich nur schwer zusammenfassen lässt. Ich kann in diesem Artikel deshalb nur auf einzelne, ausgewählte kulturelle Aspekte von Schwarz und Weiß eingehen.
Die äußersten Gegensätze berühren sich.
Jean de La Bruyère, franz. Aphoristiker
Schwarz
In unseren Breiten gilt Schwarz unter anderem als bedrohlich, als etwas Negatives: Die schwarze Katze, die unseren Weg von links nach rechts quert, bringt angeblich Unglück. Der Tod ist schwarz gewandet, Luzifer ist der Fürst der Finsternis. Auch im vorislamischen Persien finden wir den schwarzen Ahriman, der, unserem Teufel ähnlich, das Böse verkörpert.
Am anderen Ende der Bedeutungsskala von Schwarz finden wir aber auch Erneuerung und Schutz: Die schwarze Hindu-Göttin Kali steht für vollkommene Zerstörung und gleichzeitig für Wiedergeburt und Fruchtbarkeit. Auch in Schwarz tritt die ägyptische Göttin Isis auf – sie steht für den Tod, ist aber auch Lebensspenderin. Viele tibetische Mandalas werden am äußeren Rand mit einem schwarzen Ring zum Schutz vor dämonischen Wesen versehen; und in der Literatur wird Schwarz eine schützende Qualität zugewiesen, wenn es um ungeborenes Leben geht – Kinder müssen im dunklen Bauch heranwachsen, bevor sie stark genug sind, um ans Licht zu kommen.
Begeben wir uns ins moderne Indien, so stehen hier persönliche Erfahrungen mit meinen Recherchen in Konflikt: Während ich aus Büchern entnehmen konnte, dass Schwarz in Indien unbeliebt ist, da es für Negativität und Rückzug steht, wurde mir persönlich erklärt, dass dies keine Farbe sei, der besonders viel Bedeutung zugeschrieben wird. Auf den von mir besuchten indischen Märkten war schwarze Kleidung durchaus vertreten – wenn auch nicht so zahlreich wie andere Farben.
Im Bereich der Arbeit hat Schwarz eine ambivalente Bedeutung: Einerseits steht es für offen gelebte Dominanz (das schwarze Auto des Präsidenten), andererseits für illegale, heimlich ausgeübte Aktivitäten – denken Sie nur an Schwarzarbeit, Schwarzgeld und Schwarzmarkt!
Weiß
Natürlich spielt auch Weiß in der Literatur in Assoziation mit Mythologie und Religion eine große Rolle. Der Göttervater Zeus selbst trägt den Beinamen „der Weiße“ (und taucht bei seinen Herzdamen oft als weißes Tier auf). Im tibetischen Buddhismus finden wir die Weiße Tara, die Mutter aller Buddhas, wobei ihre Farbe für bedingungsloses Mitgefühl steht.
Ebenso wird das Weiß des Mondes und seines Lichts thematisiert – der afrikanische Stamm der Chokwe sieht das Mondweiß als Glück bringend an. Die weiße Madonna Immaculata des Johannes-Evangeliums wird auf einer Mondsichel stehend dargestellt.
Weiß kann in manchen asiatischen Ländern unter Umständen für Tod, Unglück und Trauer stehen – tatsächlich stieß ich auf einen Erfahrungsbericht einer chinesischen Person, die betonte, dass sie als Kind kein Weiß tragen durfte, vor allem nicht am Kopf, da es Unglück symbolisiere. In Indien ist ausschlaggebend, wer genau mit Weiß umgeben ist: Die Weisheitsgöttin Sarasvathi sitzt in einem weißen Lotus, der Reinheit ausdrücken soll, aber an der weißen Kleidung einer indischen Frau erkennt man ihre Trauer.
In den USA ist der „white collar“, also der weiße Kragen, synonym für Arbeit, bei der man sich nicht schmutzig machen muss – denken Sie an Manager, Geschäftsführer, Politiker! Sie alle können sich das weiße Hemd leisten, haben aber nicht immer eine weiße Weste. In einigen – bei uns gängigen – Redewendungen steht „weiß“ im Mittelpunkt: Wäscht man sich weiß, so befreit man sich von einem Verdacht. Muss man sich aber weißwaschen, wurde ein Delikt bereits nachgewiesen.
Was die Farben Schwarz und Weiß für uns bedeuten, bestimmen vornehmlich unsere kulturellen Filter. Wir können aber jederzeit unseren Horizont erweitern, indem wir uns über die vielfältigen Bedeutungen der Farben informieren und unsere Assoziationen nicht als allgemeingültig erachten.
Über die Autorin
Tanja Feldhofer ist freiberufliche Übersetzerin und hat somit ihre Leidenschaft für Sprachen zum Beruf gemacht. Tatsächlich dreht sich auch ein beträchtlicher Teil ihrer Freizeit um das geschriebene Wort und um Weiterbildung im allgemeinen. Ihr Wissensdurst scheint unstillbar. Für bildungsraum verfasst sie Blogbeiträge und erstellt Texte aller Art.
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